Licht teilen

Vorfreude auf den Martinstag

Ich freue mich auf den 11. November. Nein, nicht weil ich froh bin, dass endlich die Faschingszeit und das närrische Treiben wieder beginnen. Ich freue mich aus einem ganz anderen Grund: Am 11. November feiern wir alljährlich das Fest eines ganz besonderen Heiligen, des heiligen Martin von Tours.

In Kindertagen war das wohl ein Höhepunkt im Jahreskreis. Mit der eigenen Laterne durch die dunklen Straßen des Dorfes ziehen, „Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind“ singen, Martinswecken und Martinsspiel. All das hat zu einem gelungenen Martinstag dazugehört. Und weil wir beim Martinsspiel als Bettler, Marktfrau oder römischer Soldat selbst mittendrin waren, haben wir auch die Martinslegende sehr schnell verstanden. Den Mantel mit dem Bettler teilen, auch wenn man selbst friert. Den Nächsten glücklich machen und mit einfachen Mitteln helfen. Im Ärmsten Jesus Christus selbst begegnen. So einfach geht das.

Als Erwachsener verliert man leicht die Begeisterung für solche Feste. Denn eigentlich bin ich ganz froh, wenn ich in der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße muss. Eigentlich bin ich dankbar, dass mein Auto Scheinwerfer besitzt und ich nicht auf eine Papierlaterne mit Kerze angewiesen bin. Eigentlich gehe ich an so vielen Menschen vorüber, ohne ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, ohne den Mantel mit ihnen zu teilen. Ohne zu helfen, obwohl ich es könnte.

Martin: Mantel- und Lebensteiler

Der heilige Martin zeigt, dass es um etwas anderes geht. Die Legende erzählt davon, wie er nicht am Bettler, der am Stadttor sitzt, vorüberreitet. Martin sieht den armen Menschen und hat Mitleid mit ihm. Er steigt von seinem hohen Ross herunter, teilt den Mantel und verschenkt die eine Hälfte. Eigentlich ziemlich unsinnig, was Martin macht. Denn ein halber Mantel nützt weder dem Bettler noch dem Soldaten. Jetzt frieren beide. Aber vielleicht ist auch das sinnvoll: Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.

Das Martinsfest am 11. November zeigt mir jedes Jahr, dass es nicht darauf ankommt, was wir miteinander teilen. Es ist wichtig, dass wir teilen. Dass ich den anderen und seine Sorgen überhaupt wahrnehme. Dass ich anhalte und die Begegnung mit ihm suche. Es gibt so vieles, was wir miteinander teilen können. Es muss gar nichts Materielles sein. Es ist gar nicht nötig, die eigene Jacke in der Mitte zu zertrennen. Vielleicht ist es wichtiger, Liebe zu teilen, Freude und Hoffnung. In den sozialen Netzwerken teilen wir so gerne Bilder und Texte. Aber viel entscheidender ist doch, das wirkliche Leben miteinander zu teilen. Die Mitmenschen in ihrem Schicksal nicht alleine zu lassen. Ihnen ein offenes Ohr oder ein gutes Wort zu schenken. Viel mehr braucht es doch für den Anfang gar nicht.

Miteinander Licht teilen

Beim Martinszug entdecke ich ein Kind, dessen Licht in der Laterne erloschen ist. Das Schlimmste, was an diesem Tag passieren kann. Tränen kullern, der freudige Gesang verstummt. Einem Erwachsenen entgeht das Schicksal des Kindes nicht. Ohne zu überlegen nimmt er die brennende Kerze aus der eigenen Laterne und bringt damit die erloschene Laterne wieder zum Leuchten. Plötzlich strahlen Kinderaugen und erleichtert schallt es durch die Straßen: rabimmel, rabammel, rabum“.

Und vielleicht ist das die eigentliche Botschaft des heiligen Martin: Miteinander das Licht teilen. Gerade jetzt im November. Gerade in der dunklen Jahreszeit. Gerade in meinem Leben und mit meinen Mitmenschen. Und dadurch Augen zum Leuchten bringen und Enttäuschung vertreiben. Und das nicht nur am 11. November.

 

Beitragsbild: Theo Crazzolara, wikicommons

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